20 Januar 2022

«Die Angleichung des Pensionierungsalters für Frauen auf 65 Jahre ist nur folgerichtig»: Gisela Basler im Interview

Welche Rolle spielen Frauen in der beruflichen Vorsorge? Eine grosse, denn die Reform fordert sogar eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen. Was die Betroffenen davon halten? Wir haben nachgefragt! Gisela Basler ist Head Pension Fund Manager bei Trianon. Hier lesen Sie ihre persönliche Meinung dazu.

Gisela, ist die berufliche Vorsorge eine Männerdomäne? 

Die berufliche Vorsorge ist keineswegs eine Männerdomäne. In der Verwaltung von Pensionskassen sind sehr viele und sehr gut ausgebildete und engagierte Frauen tätig. Auf Stufe Geschäftsführung sieht es aber leider deutlich schlechter aus: Hier zeigt sich die berufliche Vorsorge immer noch als Männerdomäne. Dies ist aber nicht eine Frage der beruflichen Vorsorge, sondern ein gesellschaftliches Thema. Frauen sind in der Schweiz auch in der heutigen Zeit in Führungsfunktionen immer noch untervertreten. Obwohl das Gleichstellungsgesetz vor 25 Jahren in Kraft getreten ist, ist die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann in Führungspositionen noch nicht erreicht. 

Trianon ist hier eine erfreuliche Ausnahme, finden sich bei uns doch mehr Geschäftsführerinnen als Geschäftsführer von Pensionskassen. 

Sind Frauen in der beruflichen Vorsorge schlechter abgesichert?

Frauen sind in der beruflichen Vorsorge nicht grundsätzlich oder per se, weil sie Frauen sind, schlechter abgesichert. Es gibt aber verschiedene Umstände, die vor allem bei Frauen zu schlechteren Leistungen in der beruflichen Vorsorge führen. Diese Umstände hängen mit den Biografien von Frauen zusammen:

  • Oft setzen Frauen, wenn sie Kinder haben, während einer gewissen Zeitspanne ihre Erwerbstätigkeit ganz aus. Es fehlen ihnen im Alter dann diese Jahre, in denen sie kein Altersguthaben angespart haben. Meine Generation konnte in den 80-er Jahren bei Heirat und Aufgabe der Erwerbstätigkeit das Altersguthaben sogar noch als Kapital beziehen; bei einem späteren Wiedereintritt ins Berufsleben mussten diese Frauen mit dem Aufbau des Altersguthabens wieder bei Null beginnen. Es steht ihnen allen als nun vor dem Eintritt ins Rentenalter weniger Altersguthaben für die Rente zur Verfügung. Heute bleibt glücklicherweise das Altersguthaben als Freizügigkeitsleistung auch bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit erhalten. 
  • Der grösste Teil der Frauen reduziert den Beschäftigungsgrad, wenn sie Kinder haben. Oftmals sind die Beschäftigungsgrade und die erzielten Löhne dann tief, so dass aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen der beruflichen Vorsorge (Koordinationsabzug, Eintrittsschwelle) weniger Altersguthaben angespart wird. Es können dadurch nur reduziertere Rentenleistungen finanziert werden. 

Worum geht es bei der BVG-Reform, sind Sie zuversichtlich?

Mit der BVG-Reform soll die Finanzierung der beruflichen Vorsorge gestärkt und die Renten gesichert werden. Aufgrund der demografischen Entwicklung (wir werden alle älter) sind Massnahmen zwingend, müssen mit dem angesparten Altersguthaben doch Rentenzahlungen während immer mehr Jahren finanziert werden. Zudem soll die Situation von Teilzeitbeschäftigten, also insbesondere von Frauen, verbessert werden. Zentrales Element der Reform ist die Senkung des Umwandlungssatzes, der bestimmt, wie hoch die Rente aufgrund des angesparten Altersguthabens ausfällt. Wird der Umwandlungssatz gesenkt, so verringert sich die Rente. Mit der Reform soll das Leistungsniveau aber - dank Ausgleichsmassnahmen - erhalten werden. Diese Ausgleichsmassnahmen (Verringerung des Koordinationsabzuges, Anpassung der Sparbeiträge (in Höhe und Beginn) sowie ein Rentenzuschlag für die ersten Jahrgänge an Neurentnern) sind die stark diskutierten Punkte der Reform. Es liegen dazu unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch. Im Dezember 2021 hat der Nationalrat die Reform behandelt und gegenüber dem Entwurf des Bundesrates abweichende Beschlüsse gefällt. Im laufenden Jahr nimmt sich der Ständerat der Reform an. Zurzeit lässt sich nicht abschätzen, wie genau die Reform schliesslich vom Parlament verabschiedet werden wird. 

Für die meisten Versicherten sind die Auswirkungen der Reform heute nicht genau absehbar. Erschwerend kommt hinzu, dass im Gesetz nur die Minimal-Leistungen (das sog. BVG-Obligatorium) geregelt werden. Zahlreiche Pensionskassen kennen aber überobligatorische Leistungen. Für den überwiegenden Teil der Versicherten sind die reglementarischen Bedingungen ihrer eigenen Pensionskasse massgebend und nur für einen kleinen Teil greifen die Minimal-Vorschriften des Gesetzes. So kennen bereits heute viele Pensionskassen einen Umwandlungssatz deutlich unter dem gesetzlichen Wert von 6.8%. Dies ist zulässig, wenn die reglementarischen Leistungen die gesetzlichen Leistungen insgesamt übertreffen. 

Aufgrund der Tatsache, dass gegen die Reform der AHV (Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65) bereits das Referendum ergriffen worden ist, bin ich auch für die BVG-Reform nicht sehr zuversichtlich. Die Bestimmungen der beruflichen Vorsorge sind komplex und in einer Volksabstimmung nicht einfach darzulegen. Die politischen Positionen in der Einschätzung der beiden Reformen sind gemacht. Eine zukunftsweisende Kompromisslösung scheint mir im Moment eher unwahrscheinlich. Sollten beide Reformen in einer Volksabstimmung scheitern, hiesse es erneut: Zurück auf Feld 1. Für jene Pensionskassen, deren Leistungen dem BVG-Obligatorium entsprechen, würde die Situation dann zunehmend schwierig, weil sie Leistungen ausrichten müssen, die sie auf Dauer nicht finanzieren können. 

Ganz persönlich, auch als Frau, ist für mich die Angleichung des ordentlichen Pensionierungsalters auf 65 Jahre kein Problem, sondern nur folgerichtig. Viele Pensionskassen kennen bereits heute das gleiche reglementarische Pensionierungsalter für Frau und Mann. AHV und berufliche Vorsorge sind Abbilder der Gesellschaft und mit dem Kampf ums Rentenalter der Frauen wird das grundsätzliche gesellschaftliche Problem nicht gelöst. 
 

Jennifer Nasri
Marketing & Communication Manager