30 Oktober 2018

Jüngere Rentner haben bisher das Nachsehen

Rentenbestände können je nach Pensionierungszeitpunkt in Kohorten eingeteilt werden. Auf diese Weise wird eine gerechtere Teilhabe am Anlageertrag möglich gemacht.

Die seit Jahren tiefen Kapitalmarktzin­sen führen zu immer tieferen Rendite­erwartungen der Schweizer Pensionskas­sen. Gleichzeitig folgen die angewandten technischen Zinssätze zur Bewertung der Rentendeckungskapitalien diesem Trend und nagen an den aktuell zumeist erfreu­lichen Deckungsgraden der Kassen. Die stetig steigende Lebenserwartung ver­stärkt diese Konstellation.

Folgerichtig haben sich die Stiftungs­räte – zumindest in Kassen mit umhül­lenden Leistungen – schweren Herzens zur Senkung der Umwandlungssätze durchgerungen. Ohne flankierende Massnahmen hat die Anwendung eines tieferen Umwandlungssatzes eine klei­nere Altersrente zur Folge. Über die letz­ten zehn Jahre führte die Senkung der Umwandlungssätze von durchschnitt­lich 6.8 auf 5.9 Prozent1 zu einer um gut 13 Prozent tieferen Rente.

Vorsorgetechnische Verlierer

Damit haben die jüngsten Rentner gegenüber ihren älteren Kollegen dauer­haft das Nachsehen. Es resultiert eine Generation von vorsorgetechnischen Verlierern: Aufgrund der aktuell tiefen Zinsen werden einzelne Pensionierungs­jahrgänge geschaffen, die in ihrer Zeit als aktive Versicherte die Transfers an bestehende Rentner mitfinanziert ha­ben. Selber werden sie mit Renten zu vergleichsweise tiefen Umwandlungs­sätzen zusätzlich abgestraft. Gleichzeitig werden sie einen Tag nach ihrer Pensio­nierung pauschal mit jenen Rentnern verglichen, die vor der Finanzkrise – nach dem Genuss hoher Verzinsungen und einem gemessen an der Lebens­erwartung überrissenen Umwandlungs­satz – in Rente gingen. «Es stellt sich deshalb die Frage der fairen Verteilung zwischen den Rentnergenerationen», wie dies die BVK auf ihrer Website schreibt.

Kohortenrechnung

Die Pensionskassen führen in ihren Beständen Altersrenten, die zu massiv unterschiedlichen Umwandlungssätzen berechnet wurden. Eine blosse Betrach­tung der Umverteilung zwischen Akti­ven und Rentnern greift somit zu kurz. In vielen Stiftungsräten macht sich Un­behagen breit und die Frage nach einer differenzierten Betrachtung der Rentner­bestände taucht auf.

Einzelne Kassen haben bereits vor Jahren reagiert und Modelle eingeführt, die gemäss Roger Baumann (c-alm) eine Abkehr vom Giesskannenprinzip bei der Verteilung freier Mittel an Rentner vor­sehen: Die Rentenbestände werden je nach Pensionierungszeitpunkt in Kohor­ten eingeteilt. Auf diese Weise wird in Abhängigkeit des bei Pensionierung an­gewandten Umwandlungssatzes eine ge­rechtere Teilhabe am Anlageertrag mög­lich gemacht.

Grundsätzlich orientieren sich die Modelle am Zinsversprechen, das zum Zeitpunkt der Pensionierung im Um­wandlungssatz eingerechnet ist. Es wi­derspiegelt die erwartete Rendite auf der Vermögensanlage über eine versiche­rungsmathematisch korrekt festgelegte Lebenserwartung. In den Worten von Christian Heiniger (Willis Towers Wat­son) sollte dieses Versprechen «eigentlich so ausgestaltet sein, dass später keine Subventionierung der Rente notwendig ist».2 Eine jährliche Überprüfung gibt Aufschluss, ob die erzielten Anlageer­träge das implizite Zinsversprechen er­füllt haben oder ob ein Pensionierungs-jahrgang noch etwas zugute hätte.

Jene Rentenbezüger, die im gleichen Kalenderjahr ihre erste Rente bezogen haben, bilden eine Rentnerkohorte. Im jährlichen Vergleich der Ansprüche wer­den folgende Parameter überprüft:

  • der reglementarische Umwandlungs­satz im Pensionierungsjahrgang;

  • das theoretisch berechnete Zinsver­sprechen, das dem jeweiligen Um­wandlungssatz entspricht;

  • seit der Pensionierung gewährte, frei­willige Rentenerhöhungen;

  • die in der Periode effektiv erzielten Jahresrenditen;

  • die jährlich gewährte Verzinsung der Sparkapitalien der Aktiven in den letz­ten 10 bis 15 Jahren vor der Pensionie­rung.

Rentenbonus

Es können sich erhebliche Unter­schiede zwischen den einzelnen Pensio­nierungsjahrgängen zeigen. Ergibt sich für einen Pensionierungsjahrgang, dass er gegenüber den aktiven Versicherten nach diesen Kriterien Aufholbedarf hat, qualifiziert er sich grundsätzlich für eine zusätzliche Leistung. Ergibt sich, dass der Pensionierungsjahrgang gegenüber der effektiv erzielten Performance im Vorteil ist, qualifiziert er sich im jeweiligen Zeit­punkt nicht für eine Zusatzleistung.

Der Rentenbonus wird in diesem Be­teiligungsmodell beispielsweise in Form einer Einmalzahlung, basierend auf dem aktuellen Deckungskapital, ausgerichtet. Es findet kein direkter Teuerungsaus­gleich mittels lebenslänglicher Renten­erhöhung, sondern ein «Auffüllen der Ansprüche» statt. Alle berücksichtigten Jahrgänge erhalten prozentual den glei­chen Bonus. Dabei empfiehlt es sich, die Höhe des zur Anwendung gelangenden Rentenbonus tabellarisch festzuhalten. Sinnvoll ist eine Beteiligung der Rentner im Gleichschritt mit der Verzinsung der Guthaben der Aktiven, beispielsweise «Verzinsung der Aktiven – Zinsverspre­chen an die Rentner = Rentenbonus». Für die Höhe des Bonus sind beispiels­weise der Deckungsgrad, die erzielte Per­formance oder eine fixe, angestrebte Realzinsentwicklung – in Anlehnung an das Leistungsprimat – naheliegende Messgrössen.

Grundsätzlich werden solche Leis­tungsverbesserungen an Rentner nur mit freien Mitteln ausgerichtet. Das Modell kann seine Wirkung somit nur in finan­ziell sehr solid aufgestellten Pensionskas­sen entfalten.

Unterschiedliche Zielsetzungen

Während bei Konzepten mit variablen Renten meist das De-Risking, also die Übertragung von Risiken an die Rentner, eine wesentliche Rolle spielt, kann die Motivation für die Einführung der Ko­hortenrechnung unterschiedlicher Natur sein. Für die eine Vorsorgeeinrichtung steht das Erreichen des aufgrund der ge­sunkenen Umwandlungssätze zuneh­mend gefährdeten Leistungsziels für alle Destinatäre im Vordergrund, eine andere Kasse möchte eine gerechte Verteilung der Vermögenserträge erzielen, die dritte vor allem unerwünschte Solidaritäten in­nerhalb der Rentnerbestände abbauen.

Rentenbezug wieder attraktiver machen

Die Einführung eines derartigen, dif­ferenzierten Beteiligungsmodells für Rentner benötigt zur Akzeptanz eine sorgfältige Kommunikation. Dies gilt auch dann, wenn der aktuelle Deckungs­grad die Anwendung des Modells bis auf weiteres nicht erlaubt.

Sofern die vor der Pensionierung ste­henden Destinatäre vom Modell über­zeugt werden können, wird für sie der Rentenbezug auch bei den aktuell tiefe­ren Umwandlungssätzen wieder in einem attraktiveren Licht erscheinen.

Benno Halter
Market Director

Swisscanto Pensionskassenstudie 2018

2 «Schweizer Personalvorsorge» 05/2017, S. 63