07 Februar 2020

Sammelstiftungen im Spannungsfeld von Negativzinsen und Wettbewerb. Sich der Realität stellen

Das tiefe Zinsniveau setzt Sammelstiftungen unter Druck. Diese stehen im Markt und wollen mit möglichst attraktiven Konditionen punkten. Gleichzeitig müssen sie das finanzielle Gleichgewicht im Auge behalten.

Eine aktuelle Umfrage unter Sammelstiftungen durch den Autor ergab, dass Negativzinsen für eine Mehrheit nicht den Kern der gegenwärtigen Herausforderungen darstellen. Die Belastung von Negativzinsen wird per se nicht als wettbewerbsverschärfend wahrgenommen, zumal alle davon betroffen seien.

Bei genauerer Betrachtungsweise wird allerdings offensichtlich, dass die Kassenaufgrund ihrer Grösse sowie der Anlagestrategie unterschiedlich hohe Liquidität halten. Während kleinere Kassen vereinzelt unter den von den kontoführenden Banken gewährten Freigrenzen bleiben und somit keine Negativzinsen auf ihren Bargeldbeständen zahlen, sind die grossen Sammelstiftungen direkt betroffen und müssen vermehrt auf ihre Verhandlungsmacht setzen. Generell wird ein konsequenteres Liquiditätsmanagement betrieben.

Technische Zinsen ähnlich tief wie bei firmeneigenen Stiftungen

Als weitaus gravierender für die finanzielle Sicherheit wird das allgemein tiefe Zinsniveau eingeschätzt. Dieses zwingt die Sammelstiftungen – wie alle Pensionskassen –, die technischen Parameter anzupassen. Im Speziellen der technische Zinssatz wird oder wurde bereits gesenkt, um ihn unter die erwartete Rendite der Vermögensanlage zu drücken, wie dies auch die revidierte Fachrichtlinie FRP 4 verlangt. Sowohl die Swisscanto Pensionskassenstudie als auch die Antworten der nichtrepräsentativen Umfrage belegen, dass die Sammelstiftungen ihren Hausaufgaben nachkommen und einen technischen Zins anwenden, der im Durchschnitt nur geringfügig über jenem der firmeneigenen Stiftungen liegt. Diese Massnahme zur Senkung der Sollrendite schlägt sich auf den Deckungsgrad und bei konsequenter Anwendung auch auf die Umwandlungssätze nieder.

 

Wettbewerb findet über Deckungsgrad und Umwandlungssatz statt

Hier tritt das Spannungsfeld zwischen finanziellem Gleichgewicht und Wettbewerbsfähigkeit zutage. Eine Sammelstiftung in Unterdeckung verkauft sich kaum, denn der Deckungsgrad ist die am einfachsten kommunizierbare Kennzahl, die Aufschluss über die finanzielle Gesundheit einer Vorsorgeeinrichtung gibt. Der Deckungsgrad einer Sammelstiftung sollte sich in einem Bereich bewegen, der ausreichend finanzielle Sicherheit vermittelt, gleichzeitig aber keinen Einkauf in die Wertschwankungsreserven erfordert. Ähnlich verhält es sich mit den Umwandlungssätzen. Obschon die heutigen Sätze für die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmenden irrelevant sind – weil ihre Pensionierung in ferner Zukunft liegt – bleiben die Umwandlungssätze weiterhin ein psychologisch bedeutendes Verkaufsargument beim Entscheid zum Anschluss an eine Sammelstiftung.

Auf der anderen Seite kämpfen verschiedene Sammelstiftungen mit Beständen, die einen BVG-nahen Vorsorgeplan aufweisen und somit faktisch dem gesetzlichen Umwandlungssatz unterstehen. In solchen Fällen vermag auch ein sehr tiefer Umwandlungssatz auf überobligatorischen Altersguthaben aufgrund ihres kleinen Anteils keinen relevanten Beitrag an die nachhaltig stabile Finanzlage einer Vorsorgeeinrichtung zu leisten.

Kampf um jeden Basispunkt auf der Aktivseite

Lediglich die Hausaufgaben auf der Passivseite zu erledigen, genügt den Sammelstiftungen bei weitem nicht. Die Anlagestrategien wurden auf zusätzliche, Rendite generierende Anlageformen ausgeweitet und der Bargeldbestand minimiert oder auf verschiedene Institute verteilt. Jeglichem zusätzlich möglichen Basispunkt wird zunehmend mehr Beachtung geschenkt.

Wenngleich wenige Indikatoren auf einen raschen Zinsanstieg hindeuten, haben sich auch die Anstrengungen in Bezug auf das Risikomanagement erhöht. In Asset-Liability-Studien werden verschiedene Szenarien analysiert und die Vermögensanlagen entsprechend disponiert. So sind zum Beispiel variabel verzinsliche Wertpapiere vermehrt im Trend. Ausserdem erfreuen sich Immobilien im Ausland sowie nicht-kotierte Investments (Private Debt oder Private Infrastructure) bei grösseren Sammelstiftungen zunehmender Beliebtheit.

Zinsniveau stellt zukünftiges Leistungsniveau in Frage

Die Sammelstiftungen sehen sich nicht stärker von Negativzinsen betroffen als andere Vorsorgeeinrichtungen. Diese Zinsen werden teilweise als zusätzliche Erschwernis eingeschätzt, führen jedoch nicht zu marktverzerrenden Effekten. Einhellig wird dargelegt, dass nicht die negativen Zinsen auf den Konten beunruhigend sind, sondern vielmehr das allgemein tiefe Zinsniveau, das sich auf sämtliche Anlagen auswirkt und das künftige Leistungsniveau in Frage stellt.

Benno Halter
Market Director

Artikel von Benno Halter
Veröffentlicht am 30.01.2020 in der Zeitung Schweizer Personalvorsorge